Seit dem frühen Jungpaläolithikum, zirka 40.000 Jahre vor Christus, sind neben Werkzeugen, Schmuckgegenständen und anderen technischen Artefakten die ersten anthropomorphen Plastiken bezeugt
(Duhard, J.P). Über einen extrem langen Zeitraum hinweg sind weibliche Darstellungen dominant: Vom Aurignacien (40.000-31.000) über das Gravettien (35.000-24.000 v. Chr.) bis zum Magdalénien (18.000-12.000 v. Chr.) belegen weiblich demarkierte Figurinen bemerkenswerte handwerkliche Fähigkeiten (Moritz Hoernes). Diese Figuren sind die ältesten Kunstwerke der Menschheit, die wir kennen (Delporte, H). Von Sibirien bis zu den Pyrenäen zeigen sich reich diversifizierte Darstellungen. Sie sind den Rhein und die Donau entlang ebenso wie von den heute russischen Gebieten über die Pyrenäen bis nach Italien verbreitet.
Wir finden bei den Figurinen entscheidende Unterschiede im Körperbau. Von schlanken, eng- und flachbrüstigen Plastiken bis zu solchen mit einer starken Betonung des Gesäßes wird eine lange Geschichte der femininen Formen in der Kunst deutlich. Aufgrund des Reichtums an Arten von Figurinen sollte man von einem einheitlichen Diskurs zu deren Repräsentation und Bedeutung Abstand nehmen. Sie teilen aber alle ein wesentliches Merkmal: die übermäßig groß betonten Glieder im Verhältnis zum Ganzen des Kunstobjekts (Verlinkung auf Arantzazus Projekt). Die besonders hervorgehobenen Körperteile Gesäß, Bauch und Brüste haben die Kulturwissenschaft dazu veranlasst, eine Fruchtbarkeitssymbolik anzunehmen und bei den Figurinen das Narrativ von einem herrschenden Elementarcharakter des großen Weiblichen zu betonen (Erich Neumann). Die heute Archäologie belegt die Vielfältigkeit und Diversität der Morphologie und Darstellungsformen der Figurinen (Walpurga Antl-Weiser). Demzufolge sollen deren Bedeutung und Geschichte auf einer komplexeren und reicheren Interpretationsebene ausgebreitet und diskutiert werden (Verlinkung auf Elisabeths Projekt).
Wir stellen uns damit der Herausforderung, die von der Wissenschaft bisher offen gelassenen Fragen hinsichtlich der Bedeutung der jungsteinzeitlichen Figurinen zu stellen. Was wollen uns die weiblich demarkierten Miniaturen erzählen? Vor dem Beginn der Geschichtsschreibung fehlt es zwar an einer schriftlichen Überlieferung, jedoch können wir auf einen überaus reichen Schatz an Hinterlassenschaften und Umweltfaktoren (Sedimentierung, Ablagerung von Schichten etc.) zurückgreifen (Verlinkung auf Angelas Projekt), wodurch uns, in Verein mit der Rezeption der Figurinen als Kunstwerke, eine Interpretation der Figurinen möglich wird.
Die Archäologie spielt eine wichtige Rolle als epistemologisches Tool. Eine Archäologie der Frauenfigurinen soll in die Tiefenzeit der Vorgeschichte eindringen und die Zusammenhänge von regionalen und überregionalen Faktoren einer neuen Hermeneutik unterstellen (Verlinkung auf Utes Projekt).