Feminismus & Prähistorie
Die Appropriation der Vorgeschichte als weiblich. Strategien feministischer Geschichtsschreibung in den siebziger und achtziger Jahren des 20.Jahrhunderts
Elisabeth von Samsonow
Die Erfindung der „préhistoire“ ist gerade Thema großer Ausstellungen gewesen: das Haus der Kulturen der Welt widmete ihm eine Schau mit dem Titel „Eine neolithische Kindheit“, und das Centre Pompidou rollte die encounter zone zwischen Vorgeschichte und Kunst zu Beginn des 20.Jahrhunderts noch einmal mit gut gestellten Fragen auf. Mein Forschungsprojekt beschäftigt sich mit einem, wie mir scheint, wesentlichen Aspekt solcher, durch das Konzept der Vorgeschichte aufgeworfenen asynchronen Zeithorizonte, nämlich mit der forcierten Aneignung der Vorgeschichte durch feministische Geschichtsentwürfe in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Titel wie „When God was a Woman“ (Carol P.Christ), „Ancient Mirrors of Womanhod“ (Merlin Stone) „Our Heritage is our Power“ (Judy Chicago) oder „Woman and Culture in Goddess-Oriented Old Europe“ (Marija Gimbutas) unterstreichen die unhinterfragte Evidenz einer Geschichte weiblicher Subjektivität, die VOR die Geschichte, die synonym ist mit dem Patriarchat, projiziert wird. Unter den verschiedenen und komplexen Aneignungsversuchen der Vorgeschichte zu politischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Zwecken scheint mir das feministische Modell von besonderer Bedeutung zu sein. Die Möglichkeit, die die Wiederkehr eines vergessenen Zeitalters bot, nämlich sich mit ihm zu synchronisieren und ebenfalls „wiederzukehren“ ist ein nicht unbedeutendes Motiv, das die neuen feministischen Erzählungen durchdringt. Das Projekt fragt nach den Bedingungen weiblicher Geschichtsentwürfe ebenso wie nach der Konstruktion von (hypothetischer, symbolischer) Temporalität, mit welcher die Archäologie die humanities „infiziert“.